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Temporäre Installation
Farben als Sammelbecken von Bedeutungen
Georg Trakls Werk ist geprägt von einer Farbsymbolik, und einer Unzahl an Metaphern, in denen Sinneswahrnehmungen miteinander verbunden werden, die eigentlich keine Gemeinsamkeiten besitzen. In seiner Lyrik gibt es keine Grenzen, sie ist konturlos, sein Farbenkosmos ist bestimmt durch die Farben Blau, Schwarz, Rot, Gelb, und Gold, eine Tatsache, die an den Maler Franz Marc und an die Farbenlehre Kandinskys erinnert.
Dennoch stellt man fest, dass sowohl Trakl als auch Kandinsky die ganze Breite der Farben benutzen, um eine emotionale Stimmung in ihren jeweiligen Kompositionen zu erzeugen.
Auch bei den expressionistischen Malern verselbständigt sich nach und nach die Farbe.
So wird Kandinsky von Hans-Peter Riese beschrieben als jemand ,,der die Farbe befreite, indem er sie von der Form praktisch zu isolieren versuchte, und ihr einen eigenen, ortsunabhängigen Stellenwert in der Malerei zuwies“. Genau so ist es bei Trakl, wo die Farbe gegenüber dem Substantiv an Rang und Wert gewinnt und eine Eigendynamik entwickelt.
Die Farben werden abstrakt gebraucht, das Farbadjektiv löst sich regelrecht vom Substantiv und entwickelt seinen eigenen Wert. Durch die Farbmetaphern versucht der Dichter sein persönliches Stimmungsbild zu symbolisieren.
Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen dem Dichter und den Malern ist, dass sie die Farbe zwar entfremden, doch sie verliert nie gänzlich den Bezug zur Wirklichkeit.
Man könnte auch zu der Schlussfolgerung kommen, dass die Farben im Werk des Dichters als ,,Sammelbecken von Bedeutungen“ fungieren. Die Farben werden sozusagen chiffriert und besitzen eine Mehrzahl von Bedeutungen.
So sind unterschiedliche Farben ein und demselben Gegenstand oder Gefühl zugeordnet. Allein der Tod wird durch mehrere Farben repräsentiert (Weiß, Rot und Grün).
Diese Mehrdeutung wird jedoch nur möglich, weil Trakl selbst den Farben keine eindeutige Bedeutung gegeben hat, sondern er sie nach Gefühl und Stimmung eingesetzt hat.
,,Mit der Farbmetaphorik hat Trakl sich und der Ausdruckskunst neue Provinzen erobert“(Karl Ludwig Schneider).
Eine Ordnung ohne erkennbaren Anfang und Ende
Sich Trakl und seiner Dichtung zu nähern, bedeutet Zumutungen auszuhalten, und im völlig Abwegigen den Normalzustand zu erkennen. In der sich die widersprüchlichsten Eindrücke und Erlebnisse auf ihre poetische Grundsubstanz reduzieren, auf ein lyrisches Konzentrat des Daseins.
Dem Leser bleibt kaum eine andere Wahl, als sich in diese poetisch zu Tatsachen erklärten Unwahrscheinlichkeiten zu fügen. Denn als unmöglich erweist sich hier nur das Übliche, Normierte, durch Überlieferung Vorgeformte.
Fritz Gansers Installation erweckt erst einmal den Eindruck einer zwar durchdachten, aber nicht unbedingt logischen Ordnung. Einer Ordnung ohne erkennbaren Anfang oder Ende, in der eine beginnende Auflösung der formalen Strukturen und die Zusammenführung von scheinbar beziehungslosen Wortgebilden von einem traditionellen Verstehen ablenkt;
Und doch lässt sie bereits mehr als nur den Zufall dahinter erahnen.
Es sind tausende von bunten Einzelteilen aus denen Ganser nach einer weitgehend vorgegebenen Farbordnung (Konkordanz Dichtung Georg Trakl) seine dreidimensionale Trakl Lyrik formt, wobei der Buchstabe als mimetischer Gegenstand nicht nur als Buchstabe, sondern neben seiner Funktion als unabhängiges Schriftsymbol auch als Farbträger, als das, woran die Farbe (als eigenständiger / zusätzlicher Bedeutungsträger) sichtbar wird, in Erscheinung tritt.
Zu sehen sind reine ungebrochene Farben mit plakativer Leuchtkraft, um so die emotionale Farbeigenschaft zu betonen, wo sich Unsicherheit, Angst, Zweifel und die Ausweglosigkeit einer ganzen Gesellschaft nach der Jahrhundertwende widerspiegelt.
Es tauchen tragische und symbolträchtige Figuren auf
Trakls Dichtung wird von Ganser an unsichtbaren Fäden hängend, in eine scheinbar willkürlich austauschbare Reihenfolge gebracht, ist eine Verflechtung von verschiedenen Gedichten welche an ihren Rändern ineinandergreifen, und sich mischen.
Nicht selten begegnet man dabei parataktischen Bildern, die mittels verschiedener Farben dargestellt werden, wo sich das Eine unverbunden und unverstanden an das Andere reiht, denn
durch einen Bruch der Kontinuität werden vertraute Konstruktionen aufgehoben damit eine neue Reihenfolge geschaffen werden kann.
Dieser Bruch der syntaktischen Logik kann als eine Reduktion der Sprache oder Elemente bezeichnet werden, mit einer daraus resultierenden Gleichrangigkeit der einzelnen Elemente, welche ein simultanes Erfassen der Installation nahelegen. Auch die traditionelle Ordnung verliert durch die vielen semantischen Ebenen ihre gewohnte Bedeutung, die zu einer Auflösung der Zusammenhänge und der Suche nach neuen Blickwinkeln beitragen.
Es entsteht ein Effekt wie im Drama auf der Bühne. Die ganze Bühne wird zunächst in verschiedene Räume geteilt, und auf diesen verschiedenen kleinen Bühnen können viele Situationen gleichzeitig dargestellt werden. Als Protagonisten tauchen viele tragische und symbolträchtige Figuren auf, wie Einsame, Heimatlose, Wanderer, sowie Fremdlinge. So steht die Figur der Dirne als ein Symbol der Doppelmoral der Gesellschaft. Die Heimat existiert nur in der Erinnerung als emotionaler Begriff für Geborgenheit und taucht jedoch in der Wirklichkeit als verfallende Stätte auf. Sie symbolisiert eine schöne Vergangenheit, die mit der gegenwärtigen Situation einen starken Kontrast bildet. Die Bedeutung der Farben geht dabei weit über eine Funktion als reine Symbolik hinaus und dient nicht nur zur Beschreibung einer Stimmung des Abends, sondern auch zur Vermischung des Milieus mit dem Gegenstand.
Vieles erinnert an die Nähe eines Abgrundes und ruft beim Betrachter eine Vorahnung der Gefahr hervor, denn alle diese Figuren stellen die Menschen in einer krisenhaften Gesellschaft dar.
Eine Kombination aus Farben und Sprache
Gansers Installation ist eine Kombination aus Farben und Sprache; die einzelnen Wortgeflechte enden meist im Nichts, welche er mit seiner Darstellung zu einer Art von Marionettentheater konstruiert, einem Marionettentheater, in dem er in der Rolle eines (des) unsichtbaren Puppenspielers die Fäden zieht. Dies (gleicht einer Metapher) kann durchaus auch als Metapher zu verstehen sein, und bezieht sich auf die eingeschränkte Selbstentscheidung einer gelenkten Gesellschaft und zeigt uns die Krise(n) als einen Spielort der Mächtigen.
Trakls Gedichte scheinen aus der Zeit genommen, sie sind voll von Gegensätzen und Widersprüchen, welche die damalige Disharmonie der Gesellschaft als ein zerbrechliches Gebilde präsentieren und sich als gespiegelte Stimmung ins Jetzt übertragen.
Sichtbar als ein filigran hängendes Gebilde, das wie ein Mobile durch einen Luftzug in Bewegung geraten kann.
Literaturverzeichnis: Laurent Klein; Der Farbenkreis bei Georg Trakl 2001/2002,
Killy Walther; Über Georg Trakl, Harenberg; Museum der Malerei; Harenberg Lexikon Verlag
Zum Wesen expressionistischer Prosa, Dramatik und Lyrik; Alexander Krüger
Hermetische Lyrik: Stefan George,Georg Trakl, Gottfried Benn; Autor Unbekannt
Rong Wang; Bunte Welt im Verfall – Farben in der Lyrik Georg Trakls
Norbert Welsch und Claus Chr. Liebmann, Farben. Natur Technik Kunst.
Klaus Simon, Traum und Orpheus. Eine Studie zu Georg Trakls Dichtungen.